Der Votec Warp Orbit 360 Grad

Vielleicht habt ihr meinen Hessen Orbit Bericht von 2020 gelesen. Wir hatten bei dieser Tour eine großartige Zeit und als wir erfuhren, dass es 2021 neue und noch bessere Strecken geben wird, war uns klar: Wir sind da wieder dabei! Du kennst schon die Orbit 360 Reihe? Dann lese einfach ab dem nächsten Absatz weiter. Die Orbit Reihe ist ein tolles Rennformat, welches im Lockdown von Bengt Stiller und Raphael Albrecht erfunden wurde. Die Idee? Für jedes der 16 Bundesländer eine speziell gescoutete Gravel-Langstreckenrunde. (Deswegen auch 360 Grad). Das Besondere dabei ist, dass die Strecken frei gegeben werden und somit auch als frei einteilbares Backpacking Abenteuer gefahren werden kann. 2021 wurde das Konzept ein wenig geändert. Es wurde nicht mehr an den Bundesländern fest gemacht, sondern einfach an den schönsten Regionen in Deutschland, welche bekanntlich ja auch über die Ländergrenzen gehen können.

 

Die erste Frage war, welche von den vielen schönen Strecken wählen wir? Die anhaltende Pandemie macht das Reisen an sich immer noch schwer oder kompliziert. Keiner von uns war im Ausland also war bei allen die Sehnsucht nach einem landschaftlichen Tapetenwechsel sehr groß. Die Schwäbische Alb wurde unser Favorit, nicht zu weit entfernt, eine andere Landschaft als unsere Mittelgebirge und eine Überquerung der Donau zu Fuß klang reizvoll. Mit 177 km Gravelstrecke und 2930 Hm klang die Strecke nach fröhlicher Beinarbeit und gutem Schlaf. Um den Tapetenwechsel zu verstärken, planten wir wieder das Ganze als Bike Packing Tour mit einem Overnighter im Wald. Ich hatte Respekt vor den knackigen Anstiegen, das Höhenprofil ist schon anderes als unseres hier. Auf Instagram waren schon zum Votec Warp einige Warnhinweise zu finden: Achtung, schieben ist angesagt! Achtung, die Zu-Fuß-Überquerung von der Donau ist bei zu hohem Wasserstand nicht möglich. Alles das zusammen erzeugte eine große Vorfreude und motivierte zum genauen Checken von Wetter und Wasserstand.

Frank the Tank
Frank the Tank

Das Wochenende stand vor der Tür. Diesmal waren wir ein Team aus fünf gut gelaunten Bikern. Unser Setup? Drei MTB´s und zwei Gravelräder, drei von uns setzten auf Hängematte/Tarp einer nur auf Tarp, der letzte auf sein Zelt. Die Wetterprognose sah nicht so rosig aus  aber wir wollten uns den Tapetenwechsel einfach nicht nehmen lassen. Das Besondere an dieser Tour war, dass wir eine Jungfernfahrt hatten. Martin hat sich nach langem Warten (Lieferkettenprobleme) seinen Radtraum erfüllt. Er hat sich auf seine Körpermaße einen handgefertigten Stahlrahmen anfertigen lassen. Dieser wurde dann mit seinen Favoriten Komponenten zu seinem persönlichen „Abenteuerfahrrad“ veredelt. Ich will nicht zu sehr ins Detail gehen, doch alleine seine DT Swiss Felgen und 14 Gang Rohloff Schaltung lassen Kenner nicken. Das Rad wurde wirklich auf dem aller, aller letztem Drücker zu unserer Tour fertig. Doch um so freudiger wurde das Bike mit großen Augen und Hallo von uns begrüßt, und dann erst anschließend Martin. Selbstverständlich wurde dem Rad gleich ein Spitznamen verpasst: Frank the Tank :-)

Um möglichst eine kurze Anfahrt mit dem Auto samt Rädern zu haben, haben wir den Startpunkt auf das nördliche Balingen gelegt. Auch war uns eine lange Anreise am Samstag vor dem Sonnenaufgang + das Abladen, die Packerei dann über 100 km Offroadberge pedalieren, mit ungewissen Nachtlager, einfach zu viel. So entschieden wir gemeinsam, Freitag nachts anzureisen und uns ein Hotel zu buchen. Das war rückblickend einer der besten Entscheidungen, welches aber erst zum Ende zum Tragen kommt. So, jetzt endlich zur Tour. Abfahrt! Die Sonne schien und wir gewannen immer mehr an Höhe, es ging scharf rechts rein. Und tatatata wir bekamen eine Schelle ins Gesicht. Absteigen und langes Schieben war angesagt.
Die Steigung war so steil, nass und steinig, dass ich tröstend feststellte, hier fährt niemand hoch, schon gar nicht bei dieser Nässe und noch mit Gepäck. Auch nicht unsere Carbon MTB´S, und selbst dann, wenn sie ohne Gepäck unterwegs wären. Ein Trost, doch was für ein Start, wir waren nun richtig wach, und hofften darauf, dass wir nun nicht den ganzen Tag schieben müssen.

Doch unser nach oben schrauben wurde fürstlich belohnt. Denn wir waren nicht irgendwo, sondern auf dem Zeller Horn. Dieser bietet einem atemberaubenden „Hubschrauberblick“ auf die Burg Hohenzollern und Umgebung. Dafür ist sofort jede Anstrengung vergessen und vergeben. Und nicht nur das war ein Highlight. Sondern auch ein englisches Gespräch der dritten Art, mit und über Martin, seinem handemade Frank the Tank Fahrrad und einem freundlichen Herrn. Nach Minuten des etwas merkwürdigen Gespräches stellt sich heraus, dass der gute Mann gar kein Englisch sprechen kann. Zitat: „Noi, I ben Deutscher“ Was war passiert? Er hatte einfach zu Beginn im tiefsten Schwäbisch etwas gefragt, und Martin hatte ganz klar verstanden: „Is this a E Bike?“ Stolz wie Bolle hat er natürlich ein freudiges Referat auf Englisch gehalten. Alle Beteiligten und Zuhörer mussten erstmal laut vom Herzen lachen. Wunderbar, damit hatte der Tag schon gewonnen. Was für ein geiler Lost in Translation Moment, welcher uns lehrte, dass Schwäbisch und Englisch sich doch ganz nah sind. Mit dieser Erkenntnis im Gepäck sind wir dann fröhlich weitergefahren, und freuten und uns auf noch mehr.

Die Landschaften waren wie erhofft anders als unsere heimischen Mittelgebirge und immer wieder sorgten Kalksteinfelswände sowie saftige grüne Wiesen für tolle Kontraste. Nach ca. 60 km hatten wir die fieseren Anstiege für die Tagesetappe geschafft. Mit Sonnenschein düsten wir durch das sehenswerte Naturschutzgebiet Fehlatal. Wohlwissend, dass in der schönen Stadt Sigmaringen unsere geplante größere Pause auf uns wartet. Gestärkt und sehr zufrieden durch die bereits schönen oder lustigen Darbietungen, wurden wir gegen Ende des Tages doch noch mal positiv Überrascht. Das Donautal zeigte sich uns mit seiner Grand Canyon-artigen Struktur und dem stimmungsvollen Nachmittagssonnenlicht von einer beindruckenden Seite. Wirklich eine tolle und spezielle Gegend - egal ob zum Wandern, Kanu fahren, Schwimmen oder eben Fahrrad fahren.
Doch diese Idylle hatte uns getäuscht. Wer kennt sie nicht, diese Schilder „Radfahrer absteigen“ und dies für nur einen offensichtlichen kurzen Abschnitt, für eine Brücke oder Übergang. Wer steigt ab? Also ich kenne niemanden. Wir fuhren motiviert weiter und da erscheint so ein beschriebenes Schild, dahinter läuft etwas Wasser über den Radweg. Freund Gavin unser singender Schotte fuhr als erstes drüber. Bämm! Da nagelte es ihn wie auf einer Eisplatte in Rekordzeit auf den Asphalt. Alter, was war das denn? Algenalarm! Wenn sich so ein zarter Algenteppich gebildet hat, ist das quasi wie eine Schmierseife. Zum Glück war nichts passiert, außer dass wir von da an Gavin, mehrfach und bei fast jeder Situation, zum Absteigen überreden wollten. Ja, alle, die Touren nicht alleine fahren wissen es, ist gibt immer einen Biking-Gag…

Die Sonne ging langsam unter aber wir mussten noch unser Nachtlager finden. Vor der Tour hatten wir uns die Satellitenbilder angeschaut. Nach der der Donauüberquerung hatten wir ein Gebiet entdeckt welches scheinbar gut war. Wir hatten die 100 km schon weit überschritten, endlich da war sie. Die schon mit Spannung erwartete zu Fuß Überquerung der legendären Donau. Mist, der Wasserstand war etwas zu hoch und der Übergang wurde abgesperrt. Direkt an der Stelle war auch ein Biergarten also auch Publikum. Es wäre nicht so schlau gewesen die Absperrung zu ignorieren und eine bedenkliche Überquerungsaktion zu starten. Aber auf der anderen Seite wartete doch unser geplanter Feierabend. Erstmal wurde beim Biergarten Wasser und ein Bierchen für später gekauft und dankbar die Toilette besucht. Weiter fahren, wir dachten vielleicht gibt es ja noch eine Furt ohne Publikum. Klar, jetzt mit klarem und ruhigem Verstand denkt jeder sofort, dass das ist ein weniger guter Gedanke ist. Aber nach so einer langen anstrengenden Geländefahrt, einer zu weiten Brückenüberfahrt, dem Zeitdruck durch den Sonnenuntergang, und Gruppendynamik, war das einfach so. Wir fuhren suchend mit kurzen Stopps weiter am Flussufer entlang. Bei einem der Versuche entdecken wir zwar keinen Übergang aber einen schönen Ort mit Blick auf eine mächtige Kalksteinfelswand. Wir besprachen uns kurz. Planänderung. Eine Flussüberquerung ist zu gefährlich, die Sonne ist bald weg, das Bierchen wird warm. Einstimmig blieben wir dort und hatten einen super Abend.

 

Rain Spotting
Rain Spotting

Super Nacht, hätte ich gerne auch geschrieben. Doch um 1.00 Uhr setzte der Dauerregen ein, was in meinem Fall für etwas Unruhe sorgte. Mein Schlafsystem ist derzeit Hängematte/Tarp, welches ich wirklich feiere. Aber es gibt einen Schwachpunkt. Bei Dauerregen läuft das Regenwasser an den Bäumen herunter (bei glatten Bäumen wie z.B. Buchen besonders gut) und dann über die Schnüre der Aufhängung in die Hängematte rein, welches Daunenschlafsäcke und deren Schläfer nicht wirklich gut finden. Dieses Hereinlaufen des Regenwassers ist recht einfach durch Abtropfsperrschnüre zu verhindern. Optimist wie ich nun mal bin, hatte ich trotz der fiesen Wettervorhersage gar nichts gemacht und ja, es waren Buchen. Also nachts die zuvor großzügig verliehenen Schnüre mit dem Taschenmesser abgeschnitten und wiedergeholt, und fluchend Wasserstopper gebastelt. Die Frühstücksrunde am nächsten Tag hatte sich über meinen Bericht köstlich amüsiert. Diese Frühstücksrunde entstand aber etwas später. Der Dauerregen stoppte auch nicht am Morgen, somit mussten wir alles im Regen und nass einpacken. Ein Träumchen, welches niemand mag. Aber trotzdem gehört das zum Leben und dem Draußensein dazu, es kann nicht immer alles schön sein und die Sonne scheinen. In solchen Situationen zeigt sich doch der wahre Optimismus und Teamstärke.
In unserem Fall hatten wir trotz Regen viel Spaß und motivierten uns gegenseitig. Nach kurzer Strecke Stop in einer Bäckerei kurz aufgewärmt, gestärkt und erleichtert raus in den immer noch anhaltenden Regen. Weiter ging es. Vielleicht geht es dir auch so; auch unter diesen Bedingungen konnten wir der Natur und Strecke viel Schönes abgewinnen. Mystisch hingen die Wolken in den Bäumen und der Regen sorgte für besondere Lichtverhältnisse. Wir genossen sehr dieses Naturspiel. Mit unseren warmgefahrenen Körpern und dem Bewusstsein, dass wir scheinbar allein durch das Land fuhren, fühlten wir uns alle frei und abenteuerlustig. Nach zwei Stunden ließ auch der Regen endlich von uns ab und unsere Klamotten begannen zu trocknen.

Euphorie machte sich in der Gruppe breit und eine Passabfahrt kam uns gerade recht. Doch scheinbar hatte die Euphorie einen großen Einfluss darauf, wie oft der Blick auf das GPS-Routing fiel. Mist! Zurück - wir fahren gar nicht die Passstraße runter, großes Gestoppe und lautes Gerufe, doch bei einem war der Fahrtwind schon zu laut oder sein Abfahrtsrausch schon zu groß. Die gegenseitigen Anrufversuche gingen los.  Dann: „Wir hatten gerufen. Du bist unten? Ganz unten? Shit. Ok dann lass uns einen Wegepunkt ausmachen und da treffen“. Der Man im Tal hatte Straßen vor sich und wir wagten einen Trail als Abkürzung. Egal ob mit dem Bike, Enduro oder Geländewagen. Es kommt manchmal vor, dass der harmlose Offroad-Weg sich immer mehr verschlimmert. Die Kombination aus rutschig und unbekannt lässt einen denken: „Shit, wie komme ich aus der Nummer raus? Zurück ist schwierig, geht nicht mehr... Runter? Ja das macht schon die Physik. Aber im Ganzen und gesund?“

Genau das passierte uns, unser Trail wurde immer steiler und schlammiger. Und uns wurde immer klarer: Wir hatten hier mit unseren Packeseln absolut nichts mehr zu suchen. Das hier ist eine „schwarze Piste“, die echte Könner mit ihren Fullys runter fliegen. Um sicher zu stoppen, klemmte sich jeder von uns quer hinter einem Baum, bloß nicht abrutschen und alle versuchten zu schauen und abzuwägen, schwer zu sehen wie tief und steil geht es runter? Gibt es eine sanfte Auslaufzone? Oder knallt man gegen Felsen oder in einen Bachlauf? Es gibt ein paar Fotos von dieser Situation. Aber jeder, der schon selbst versucht hat, Steigung oder Gefälle zu fotografieren, wird es bestätigen, es gibt das Ganze nicht wirklich wieder. Man rutscht schon oder kämpft sich hoch und auf den Fotos sieht es einfach billig aus. Aber gut, kommen wir zurück.

Anspannung machte sich bei allen breit aber auch Mitleid. Martin´s Jungfernfahrt mit seinem so lang erwarteten Bike und das könnte jetzt gleich nicht mehr so neu und schön aussehen. Ich dachte, ich sehe einen machbaren Weg für mich und wagte es. Die Wurzel, die ich wie eine Art Treppenstufe nutzen wollte, war aber einfach zu rutschig oder mein Schuh oder beides. Wousch und es geht schlagartig und sehr schnell abwärts. Aus dem Enduro fahren weiß ich, bloß nicht das Gerät aus den Augen verlieren und wenn irgendwie möglich, lass es nicht auf dich drauf knallen. Das gibt böse Verletzungen. Ich slide wie eine Katze auf allen vieren Bauch nach unten den Berghang herunter, das Bike dahinter. Ein Moment, in dem alle die Luft anhielten und dachten, wann, wo und wie stoppt diese Nummer nur? Nach ca. 8-10 Meter kehrt Ruhe ein, dem Bike kann ich ausweichen.  Alles ok? Kamen sofort die besorgten Rufe von oben, alles gut nichts passiert. Meine kleine Vorführung hatten alle klar gemacht, hier geht‘s es nur gemeinsam und Stück für Stück runter. Es wurde eine Menschenkette gebildet. Jeder an einem Baum, ein Arm hält sich fest, der andere Arm gibt das Fahrrad oder das menschliche Kettenglied weiter. Nach einer halben Stunde sind alle heil unten, Gelächter macht sich wieder breit. Was für eine krasse Nummer, geilo und welch unverhofftes Abendteuer mit Happyend. Unser verlorener Mann wird sich so was von in den Hintern beißen, dass er nicht dabei war und das hatte er auch.

Nach diesem Kick war der Rest der Tour schlicht ein freudiges Abspulen und wir planten während der Rückfahrt schon fleißig weitere für die Zukunft. Im Hotel angekommen, bekamen wir noch ein überraschendes Highlight geschenkt. Der gute Mann von dem Hotel Pfeffermühle begrüßte uns mit: „Ich habe euch im Zimmer 201 ein paar Handtücher hingelegt. Duscht euch einfach, dann fährt es sich besser zurück.“ Wow, damit hat echt keiner gerechnet, das ist einfach super freundlich! Wir hatten uns schon gefreut, dass wir unsere Autos einfach auf dem Parkplatz stehen lassen konnten. Jetzt noch so was Schönes. Jeder von uns gibt einen Fünfer zum Zusammenlegen und wir bedanken ganz herzlich bei dem Duschengeber. Nein, hier wurde nicht gesponsert oder ich mache über den Blogbeitrag auch keine Werbung. Es war einfach eine tolle und großzügige Begegnung, von Mensch zu Mensch, einfach so, einfach gut.


Fazit: Ob von Berg zu Berg, vom Fluss zum Fluss oder Baum zu Baum. Wenn das Mensch zu Mensch stimmt, ist das alles kein Problem, sogar eine Freude. Der Votec Warb Schwäbische Alp ist eine klare Empfehlung, fahrt das Ding und ihr werdet eine super Zeit haben.

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Kommentare: 1
  • #1

    Martin (Sonntag, 21 November 2021 01:39)

    Toll geschrieben! Da werden schöne Erinnerungen an die erste Tour mit Frank wach.