Der WüBaNü Frankengraveller

Eine querfeldein Fahrt von Würzburg über Bamberg nach Nürnberg, klingt doch sofort nach einer interessanten Landschaft mit Wäldern, Weinbergen und Flüssen. Das fand ich auch, und setzte mich mehrmals an den Komoot Routenplaner, um für Ende Mai eine spannende Tour mit richtiger Mischung zu planen. Das macht meiner Meinung nach eine gelungene Graveltour eben aus, eine gute Mischung von allem. Mal grüner dichter Wald, dann Weitblick über Felder, auf Schotter über das Land fliegen, hoch auf dem Kamm entlang oder im Tal den Flusslauf auf einem Singletrail folgen. Die Abwechslung belebt und fordert einen zugleich, und es zeigt einem die unterschiedlichen Facetten der Gegend. Aus diesem Wunsch wurden dann auf Komoot 180 km und ca. 3000 Höhenmeter angezeigt. Für diese Tour war diesmal auch eine Übernachtung im Wald geplant. Das bedeutet spürbar mehr Gepäck auf dem Rad für Essen, Trinken und die Übernachtung. An- und Abreise planten wir per Zug von Frankfurt nach Würzburg und von Nürnberg zurück.

23 Mai. Start Würzburg Hauptbahnhof. Gutgelaunt wie die vier Musketiere starten wir um 10.00 Uhr mit wunderbarem Wetter und prächtigem Rückenwind über die ersten Weinberge und blühende Felder. Die Räder sind durch das Mehrgepäck zwar spürbar schwerer, aber es macht der Fahrfreude keinen Abbruch. Wir sind immer noch leicht und wendig genug, um alle kommenden Wege zu wagen. Das zeigen auch bald die großartigen Singletrails, doch dazu später mehr. Da einer von unserem Team kein Zelt oder ähnliches dabei hat, müssen wir eine Schutzhütte nach ca. 115 km erreichen. Wir haben keine Ahnung, ob es noch diese Hütte gibt und wie der Zustand dieser ist. Wir hoffen das Beste für unseren zeltlosen Freund und genießen gemeinsame die Fahrt.


Es kommen die ersten Geländefahrten, nichts Wildes. Ich sehe noch genau den kleinen Ast vor mir, und fahre ganz entspannt drüber. Knack macht es und es war leider nicht der Ast. Das Schaltauge ist gebrochen und das ganze Schaltwerk hängt runter! Alle stoppen sofort, und ein kollektives "oh weia" bricht aus. Doch das sind doch die wahren Moment von dem Bike Service Frankfurt ;-) Tatatada und ich packe eine neues Schaltauge aus. Fünf Minuten später geht es gut gelaunt und mit dem Wort Schaltauge im Kopf weiter.

 

 

Nicht immer ist die Fahrt in einer Gruppe unproblematisch, und ich möchte nicht so tun, als wäre immer alles ganz toll und super. Alle mit Lebenserfahrung wissen es, wenn es „menschelt“, kommen Spannungen auf.  Gerade eine Fahrradtour kann sehr unterschiedlich gestaltet und angegangen werden. Sie kann genießerisch, sportlich, abenteuerlich und vieles mehr sein.  In unserem Fall kam es dann zur Diskussion. Der Grund? Die Erwartung, sich eine Stadt anzuschauen und Essen zu gehen. Nach meiner Erfahrung kosten solche „Pausen“ aber viel Zeit und 115 km mit unbekannter Strecke und unklarem Nachtlager sind nicht ohne.
Wir einigten uns nach kurzer Diskussion in die Stadt einzukehren, dafür aber im Anschluss keine große Pausen mehr und etwas schneller Fahren. Müde im Dunkeln das Lager aufzubauen und zu kochen, macht einfach keinen Spaß. Wie befürchtet hat dann alles schon recht lange gedauert, aber endlich es geht weiter.

 

 

Eine wunderbare Strecke durch und über Weinhänge am Main entlang, wird dann abgelöst durch die erste Trailfahrten im saftig grünen Wald. Der weiche Boden und die sanften Kurvenwechsel, versetzen uns alle in einem freudigen Flow. Bei kurzen Stopps sehen wir uns alle grinsend ins Gesicht und fahren dann wieder jubelnd weiter. Einfach der Hammer, da lohnt sich doch so manches abstrampeln. Wir kommen zum Eberhard Trail, der bei Komoot folgende Hinweise hat. „Bei Nässe sehr schwierig, ist als S0 leider falsch gekennzeichnet bei Nässe mindestens S2 teilweise S3.“ Zur groben Beschreibung der Schwierigkeit verwendet die Singletrail-Skala eine Klassifizierung: S0 = sehr leicht und leicht, S1 = mittel S2 = schwer bis sehr schwer, S3 bis S5 = extrem bis unfahrbar. Nun es war bei uns nass und schlammig, somit verstummt das Jubeln, und das Grinsen schwand. Die Reifen setzten sich zu und die ersten leicht Stürze sorgen für Warnungen wie: Alter, die Wurzeln sind rutschig wie Eis. Achtung wenn ihr rutscht, dann versucht nach rechts fallen, links gehts fett runter. Macht kein Scheiß Jungs, schiebt lieber, da liegen auch Bäume quer. Fuck da geht es einen ordentlichen Meter nach unten. Da hatten wir nun unser Abenteuerfeeling endlich, und als wir es alle wohlauf und wohlab geschafft hatten, blieb wieder mal nur ein kollektives „Lecko mio“ übrig. Geil.

 

Die Tour ging fröhlich weiter, doch der Blick auf den Tacho sagte ganz deutlich: Draufdrücken. Die Befürchtung, das Lager im Dunkeln und klamm aufzubauen wurden immer realer. Das Problem war aber, dass Draufdrücken bei einem nicht mehr ging. Jeder kennt den Spruch, eine Gruppe immer nur so stark ist wie das schwächste Gruppenmitglied. Das konnten wir nun deutlich beobachten. Die Stimmung kippte deutlich, vor allem dadurch, dass unser schwächstes Teammitglied derjenige war, der unbedingt die „Genießerpause“ in einer Altstadt machen wollte. Da das Ziel Schutzhütte klar war, entscheiden wir uns, die letzten ca. 20 km zu trennen. Auf jetzt, Druck, doch dann schlug Murphys Gesetz zu. Einer unserer Fittesten verliert seine teure Ironman Spezial Sportuhr, Armband durch… Also Lampen an und wir suchen und fluchen im Wald, doch dann wird sie glücklicherweise gefunden. Endlich ist das Tagesziel erreicht. Das Nachtlager steht, der Körper wird mit warmen leckeren Essen belohnt, und die Seele mit einem fränkischen Wein entspannt. Milde Stimmung macht sich im Team wieder breit, und wir erfreuen uns gemeinsam über unseren herrlichen Tag. Das waren schon richtige geile Trails und schöne Landschaften. Mit Vorfreude auf morgen gehen wir schlafen, wobei das nicht jedem so gut gelingt. Im Wald zu schlafen ist schon was anderes. Geräusche, Gekrabbel oder Getier machen es manchem schwer. Auch wenn das Nachtlager nicht ganz so sorgfältig aufgebaut wurde, rächt sich das in der Nacht, sorgt aber für Gelächter beim Frühstück. Nach meiner Erfahrung gehört das einfach dazu. Wer flucht und einem das Reiseende noch nicht ganz so klar ist, befindet sich eben in einem Abenteuer.

 

Neuer Tag neues Glück! Obwohl wir schon früh wach sind, dauert es für mich erstaunlich lang bis wir losfahren. Das Aufräumen, Packen und Anbringen an die Räder braucht doch bei vier Leuten eine gewisse Zeit. Selbstverständlich hinterlassen wir keinen Spuren, und Müll getreu dem Motto Leave No Trace. Die Route verwöhnt uns gleich mit schönen Trails und saftiger Natur. Kurz darauf noch ein mächtiges Frühstück in Bamberg. Aufgrund von Sonntagsandrang und den Corona Maßnahmen dauert das alles sehr lange, zu lange. Die Zeit rinnt und das Zugticket nach Frankfurt ist schon gekauft und fest fixiert. Da wir vom ersten Tag unser Gruppenleistungslevel kennen, entschärfen wir die Strecke und nehmen die Höhenmeter raus. Weiter geht es, das Wetter ist angenehm, doch starker Gegenwind kommt auf. Mist. Gerade unser Schwächster im Team, sitzt mit seinem MTB aufrecht im Wind, und hat noch einen übergroßen Rucksack als Bremsfallschirm auf… Das wird nicht gut gehen, und sehr bald fällt er zurück. Und nun? Trennen war schwierig, da noch Taschen und Hausschlüssel in seinem Auto waren. Also wie lösen wir das jetzt? Einfach im Team Windschatten fahren! Im 5 Minuten Takt ballert einer vor, der Rest hängt sich ganz knapp dran. Der schwächste braucht nicht zu ballern, und bleibt ständig im Windschatten. Der Plan war, wenn wir mindestens ein 25 km/h Schnitt halten, schaffen wir es rechtzeitig zum Zug. Wir kommen voran, und fühlen uns wie ein Frankenland Zugexpress, der sich einen E Bike nach dem anderen vorknöpft.

 

Trotzdem es wird verdammt knapp, leider auch das Wasser. Wieder Planänderung, Boxenstopp und einen Bahnhof, der noch etwas näher ist. Jetzt aber Endspurt, den wir auch gemeinsam glücklich zu Ende bringen. Beim Rückticketkaufen (nicht alle hatten eins) wurden wir
von einer Oma aus dem Off als unverschämte Halbstarke und mehr beschimpft. Ihr ging das alles viel zu langsam am Automaten. Dass wir noch als Halbstarke eingestuft wurden, nahmen wir lachend als Kompliment, und wir rieten der Dame, dass ihr Stress nicht gerade die Lebensfreude fördert, bzw. vielleicht ein Besuch beim Augenarzt nicht schlecht wäre. Bei der Zugheimfahrt bekommen wir es noch mit einem besonders serviceorientierten Schaffner zu tun. Und oh Schreck es wurden die falschen Tickets gekauft. Er hält uns einen sehr, sehr langen, zu Beginn auch noch unterhaltsamen Vortrag zu dem Tarif-Dschungel der Bahnwelt. Mit dem Endergebnis, dass wir nun zwei Schwarzfahrer an Bord hatten. Zweimal 60 Euro wäre jetzt gefühlt wie die ganze Tour ohne Sattel zu fahren. Wir bezirzen den guten Man mit dem letzten Charme, der von der Tour noch übrig war. Auch stellten wir klar, dass wir uns wirklich große Mühe beim Fahrkartenkauf gegeben haben. So sehr, dass sogar eine Oma ausrastete. Das hatte ihn dann doch zum Lachen gebracht und überzeugt. Yeah, was ein cooles Ende für eine Tour.


Fazit: 173 km, ca. 1600 Höhenmeter, Tag 1 Bike Packing mit allem Pipapo. Tag 2
Mehr so ein Trainingstag mit Windschatten fahren. Super Trail-Fahrten und schöne Landschaften. Das nächste Mal wird sich im Team besser abgesprochen bzw. alle kommen zur nächsten Tour trainiert und gut vorbereitet ;-) Heh, aber so ist das Leben.


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Kommentare: 1
  • #1

    Martin (Donnerstag, 16 September 2021 14:32)

    Schöner Bericht - fast als wäre ich dabei gewesen :-)